Nicht schnell, aber schön: Mit dem Bummel-Express durch die Schweiz
Man sagt den Schweizern ja gerne nach, sie seien etwas langsam. Dass sie mit dieser Eigenheit aber in mancher Hinsicht die Nase vorn haben, zeigt sich auf geradezu spektakuläre Art beim Bahn fahren. Hier sind die Eidgenossen nicht nur Weltmeister – mit jährlich 2103 zurückgelegten Kilometern pro Kopf -, sie besitzen auch eines der schönsten Schienennetze. Auf 15.000 Kilometern kommt man an Orte, wo nur noch Gemsen unterwegs sind. Wo die Gebirgsseen klar, die Bergwände steil, die Schluchten klaffend und die Gletscher blendend sind. Und wo manch ein Ingenieur sein Leben riskiert hat, um die Schwindel erregenden Schienen-Aufstiege zu ermöglichen. Niemand käme angesichts der geradezu klischeehaft schönen Bergwelt, die an den Panoramafenstern vorbeizieht, auf die Idee, auf die Tube drücken zu wollen. Ob man nun in die große alte Dame der Schweizer Bahn, den feuerroten Glacier-Express steigt, oder mit der aus dem Dörnröschenschlaf erweckten Furka-Dampfbahn über den 2400 Meer hohen Furkapass stampft. Nicht schnell, sondern schön reisen ist die Maxime – die übrigens wieder voll im Trend liegt. Aus dem Bahnfenster Blumen pflücken, im Tunnel Echo rufen, glücklich vor sich hin dösen oder im noblen Salonwagen eine heiße Schoggi schlürfen. Und den hastigen Flug um die Welt gelassen auf später verschieben.
Glacier Express: Der „langsamste Schnellzug der Welt“ verbindet seit 1930 St. Moritz mit Zermatt. Dabei fährt der Schmalspurzug in siebeneinhalb Stunden über 291 Bücken, 91 Tunnel und den 2033 Meter hohen Oberalppass. Nachdem 1981 durch den Furka-Tunnel der Ganzjahresbetrieb möglich geworden ist, fällt allerdings der Blick auf den Rhone-Gletscher, der dem Zug auch den Namen gegeben hat (franz. Glacier) weg. Dafür wird die alte Bergstrecke mittlerweile von der Furka-Dampfbahn befahren. www.glacierexpress.ch
Furka-Bahn: Der kurze, fast 100 Jahre alte Zug ächzt zwischen Juni und Oktober mit Wasserdampfkraft knapp 18 Kilometer von der Ostwalliser Ortschaft Gletsch über den 2436 Meter hohen Scheitelpunkt des Furkapasses bis zur Endstation Realp; Joggingtempo garantiert. https://www.dfb.ch/de/
Golden Pass Line: Bewegt sich in fünf Stunden von der Innerschweiz bis zum Genfer See. Die Strecke zwischen Luzern und Interlaken, wo zwölf Prozent Steigung überwunden werden müssen, gilt vielen als eine der schönsten der Schweiz. www.mob.ch
Wilhelm Tell Express: Verbindet die Zentralschweiz und das Tessin; zunächst an Bord eines Raddampfers oder Salon-Motorschiffes über den Vierwaldstättersee, danach im Panoramawagen durch den imposanten Gotthardtunnel bis nach Bellinzona. www.wilhelmtellexpress.ch
Golden Mountain Pullmann Express: Dunkelgrüner Plüsch, Intarsien in Mahagoni, Luxus im Stil des Orientexpress: Zwischen Montreux und Zweisimmen reist man seit 2005 wieder wie der Jet-Set der Dreißiger.
Mont Blanc Express: Von Martigny im Kanton Wallis geht es an den Gletschern des Mont Blanc Massivs vorbei bis nach Chamonix in Frankreich. >Außerdem: Anschlüsse gibt es fast immer. Wo nicht, springen knallgelbe Post- busse ein (www.postauto.ch). Infos zu Bahnen, Anschlüssen etc. unter www.swisstravelsystem.ch
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